An einem Samstagabend im Februar 2014 läutete das Telefon, und ich wusste instinktiv, dass, wenn ich abnehme, etwas auf uns zukommt. So war es tatsächlich, denn meine Tochter Hannah, Mitzüchterin und aktive Tierschützerin, war unterwegs mit unserem Tierarzt, um einige Hunde aus Rumänien entgegen zunehmen. Nun rief sie an, weil sich Folgendes zugetragen hatte: (ihr später verfasster Bericht darüber)
„Ich habe im Februar diesen Hund aus Rumänien zu mir genommen.
Er wurde damals nach Österreich gebracht, weil er zu einem Trainer kommen sollte – er wurde als schwer aggressiv eingestuft. Bevor er zu besagtem Trainer gefahren werden sollte, wurde er zu unserem Tierarzt gebracht, um noch einmal durchgeschaut zu werden. Dort entdeckte man, dass er keine Hüftköpfe mehr hat. Wie sich herausstellte, war er ein halbes Jahr zuvor in Rumänien angefahren neben einer Straße gefunden, mitgenommen und dort operiert worden (doppelseitige! Hüftkopfresektion). Daraufhin wurde er in einer Hütte untergebracht und verbrachte dort ohne Schmerzmittel, Therapien und ohne einen Schutz vor Kälte den Winter. Er konnte kaum gehen, da beide Hinterbeine nicht funktionstüchtig waren. Nur in der Nacht schleppte er sich raus zum Futter. Wie er den Winter dort überlebte, ist nicht nur mir ein Rätsel, aber der kleine Kerl ist ein Kämpfer besonderer Art. Näherte sich jemand seiner Hütte, begann er wie wild zu knurren. Daher die Bezeichnung „schwer aggressiver Hund“. Die Möglichkeit bzw. wohl eher die Tatsache, dass der Kleine Schmerzen hatte und sich wehrlos fühlte, zog dort keiner in Betracht.
So lag er nun da in dem Käfig beim Tierarzt. Ich war extra hingekommen, weil ich mitfahren wollte zu dem Trainer, um zu schauen, wie er mit solch einem Hund arbeitet. Als ich dieses kleine Häufchen Elend sah, wusste etwas in mir, dass dieser Hund zu mir kommt… Mir erklärte der Tierarzt, dass bei dem Hund eine beidseitige „Femurkopfresektion“ durchgeführt worden war, allerdings nicht richtig, und dass man nicht wisse, ob das Tier überhaupt gehen könne. Er lag einfach nur in dem kleinen Käfig und schaute mich an (Wie ich hörte, hatte man ihm zuvor eine Schmerztablette gegeben, deswegen schien er wohl irgendwie entspannt). Man meinte man müsse in Betracht ziehen, ihn einzuschläfern, doch wollte man vorher noch zu dem Trainer fahren und ihn um seine Meinung dazu bitten. Tja, das war der Moment, wo es klick machte und mir klar war, dass, wenn dieser Trainer auch für das Einschläfern stimmte, ich diesen Hund nehmen werde. Wie sich herausstellte, weigerte sich der Trainer, mit diesem Hund auch nur zu beginnen zu arbeiten. Naja, so landete er bei mir.“
Jetzt mag die Frage entstanden sein: Was hat das mit unseren Elo® zu tun?
Hannah schleppte also in derselben Nacht dieses „Häufchen knurrendes Elend“ an und beherbergte ihn in ihrer kleinen Wohnung. Sie wählte Ambra von Laab im Walde aus als 24-stündige artgleiche Begleitung für den unbekannten Hund, den wir Mogli nannten. Ab da begann unser Leben mit einem Hund, der Mensch und Elo® „in die Lehre“ nahm, was das eigene Verhalten und das Erkennen des Verhaltens des Gegenüber angeht. Ambra jedenfalls suchte nun ständig seine Nähe, wobei sie sich nie direkt auf ihn zubewegte, ihn auch nie ansah, aber einfach bei ihm war. Ihre schützende Präsenz zeigte sich besonders deutlich auf den zunächst sehr kurzen Ausflügen, wo sie alles ihr Mögliche tat, um die Situation für ihn ertragbar zu machen im Sinne eines Rudelausfluges.
Hannah blickt zurück auf diese Phase:
„Die nächsten Wochen brachten mich an meine Grenzen. Ich dachte ja, dass ich sehr gut mit Hunden umgehen könne, doch dieser Hund forderte mich wirklich heraus. Die erste Woche war er zu schwach, um sich zu wehren. Er ließ sich ohne Probleme anfassen, auch wenn ich merkte, dass er wirklich Angst hatte. So verzichtete ich zunächst auf körperliche Berührung. Fressen tat er nur, wenn niemand in der Nähe war, und er schlief die erste Woche nicht wirklich tief, so sehr stand er „unter Strom“. Spazieren gehen war eine Katastrophe, mal abgesehen davon, dass er sehr wackelig auf den Hinterbeinen war. Der Hund machte auf jedem Spaziergang nur ein einziges Mal „Lacki“ und das in einen Bach oder ins stärkste Gestrüpp, und er versteckte sich vor allem und jedem. Sobald ein parkendes Auto in der Nähe war, verkroch er sich darunter oder er grub sich in die Erde ein, warf sich in Gräben und Ähnliches mehr. Drehte ich mich aus 5 Metern Entfernung frontal in seine Richtung ( und war es auch nur für ein paar Sekunden), rannte er quietschend rückwärts. Ich wusste nicht mehr weiter. Für eine Strecke von 100 Metern brauchte ich mit ihm knapp eine Stunde. Nach einer Woche konnte ich mich ihm auch nicht mehr nähern, er begann zu knurren und zu bellen und fletschte die Zähne – aggressive Ängstlichkeit, er fühlte sich wohl schon etwas stärker.
Meine Rettung waren unsere Elo®. Mogli war absolut unproblematisch mit ihnen, und ich begann zu beobachten, wie sie sich ihm gegenüber verhielten. Ich begann, das Gleiche zu tun wie sie: ihn absolut zu ignorieren, aber ihm in jeder Situation das Gefühl von Sicherheit zu geben. Ich schaute ihn kein einziges Mal an, aber stellte mich, sobald ich etwas sah, das ihm Angst machen könnte, vor ihn hin, auf die „Gefahr“ schauend. Er begann sich sicherer zu fühlen.“
Unser aus Hündinnen bestehendes Rudel blieb stabil, Moglis Anwesenheit (vor der Geschlechtsreife kastrierter Rüde) löste keine nennenswerten Turbulenzen aus. Doch es kristallisierten sich zwei Hündinnen heraus, die seine festen Begleiterinnen wurden, speziell auf Spaziergängen: Ambra und die Junghündin Karla von Laab im Walde.
„Und so ging es weiter. Das erste Mal, als er sich in der Wiese wälzte…….Man sah ihm wirklich an, dass er das alles nicht ganz fassen konnte. Schrittweise begann er mit der Zeit näher zu kommen, und nach drei Monaten kam er so nah, dass ich ihn das erste Mal berühren konnte.“
Berührung mit rudeleigenen Mitgliedern ließen die zwei Hündinnen zu. Doch stellten sie sich, ohne Sichtkontakt mit Mogli aufzunehmen, vor ihm auf, schirmten ihn körperlich ab vor entgegenkommenden fremden Menschen, fahrenden Autos und auch vor fremden Hunden, die z.T. aktiv weggetrieben wurden. So verlor sich allmählich sein starker Trieb, sich unsichtbar zu machen.
Dass Ambra und Karla seine Einschränkungen immer noch im Bewusstsein haben, auch jetzt, da er sich inzwischen recht mühelo®s und immer sicherer bewegen kann, zeigt sich u.a., wenn sie auf der Wiese einem jungen, sehr verspielten Husky begegnen, der Mogli mit seinem ungestümen Spiel teilweise überfordert und ihm Schmerzen verursacht; sie versuchen, den „jungen Wilden“ auf Distanz zu halten.
„Mogli ist mittlerweile ein stattlicher, aber dennoch zarter Hund, der, seit ich ihn bekam, um ca. 15 cm gewachsen ist.
Ich vermute, dass der kleine Kerl, bis er angefahren wurde, nie Kontakt mit Menschen hatte, daher das ausgeprägte Sozialverhalten, die ausgeprägten Instinkte und die immer noch vorhandene Skepsis gegenüber Menschen. Meine Schwester lässt er nun auch an sich heran, doch nur weil sie lange Zeit mit ihm und mir spazieren gegangen ist. Er fasst Vertrauen durch gemeinsames „Auf-Tour-Gehen“. Er ist eigentlich kein Haustier, denn das Unterwegssein hat für ihn eine unglaublich zentrale Bedeutung!
Es ist immer ein Highlight für Mogli, wenn das ganze Rudel – am besten noch mit dem zweibeinigen Anhang – aufbricht.
Dann ist er wie elektrisiert, ganz aufmerksam und sehr glücklich. Unsere Elo® nehmen diese Stimmung gerne auf, und gemeinsam geht es dann über Stock und Stein in eine Richtung; naja, nicht so schnell, denn der zweibeinige Teil des Rudels kann sonst nicht mithalten….außerdem geben diese Rudelmitglieder die Richtung vor…da heißt es aufpassen!
Wenn man die Hundegemeinschaft dann über die Wiese ziehen sieht, so fällt es nicht schwer, sich vorzustellen, dass da eine Gruppe von Rumtreibern abseits vom Menschen unterwegs ist, aber gleichzeitig wirkt es so, als ob das ursprünglich wilde Tier unter den am Menschen orientierten Artgenossen seinen festen Platz gefunden hat……nicht zuletzt aufgrund der großen Instinktsicherheit unserer Elo® besteht eine wunderbare Verständigungsbrücke zwischen diesen „Welten“.